Bald nur noch anonyme Bewerbungen in Deutschland?
Wohl eher nicht!

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Ende 2010 startete die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) das Pilotprojekt „Anonymisierte Bewerbung“. Fünf Unternehmen, unter anderem die Deutsche Post, und drei öffentliche Arbeitgeber haben an diesem Projekt teilgenommen. Über einen Zeitraum von zwölf Monaten wurden insgesamt 8550 anonyme Bewerbungen verschickt, knapp 1300 Personen wurden zu einem Eignungstest oder einem Vorstellungstest eingeladen und 246 Personen erhielten daraufhin ein Stellenangebot bzw. einen Ausbildungsplatz. Christine Lüders hat dieses Projekt ins Leben gerufen. Ihr Fazit lautete, dass die Studie positiv ausgefallen wäre, denn man schließlich für Chancengleichheit gesorgt.
Aber…
Man muss zwar zugeben, dass anonymisierte Bewerbungen eine Möglichkeit bieten, um Diskriminierung im Bewerbungsverlauf zu verringern, dennoch darf man nicht naiv annehmen, dass nur dadurch Chancengleichheit erschaffen werden kann. Wenn man die Studie etwas genauer unter die Lupe nimmt, dann erfährt man auch wieso.
Kritik an der Studie
1. Simple Stichprobe Die Untersuchung fand nur in acht Organisationen statt und somit handelt es sich um eine simple Stichprobe. Man muss kein Überflieger in Statistik sein, um zu wissen, dass man aus einer simplen Stichprobe keine repräsentativen Schlussfolgerungen ziehen darf.
2. Keine Kausalität Wäre der Bewerber vielleicht auch dann zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, wenn in der Bewerbung der volle Name und das Foto nicht fehlen würden? Diese Frage kann jedoch keiner beantworten.
3. Bewerbungsgespräch ≠ Jobangebot Auch wenn man eine Einladung bekommen hat zu einem Gespräch, heißt es nicht, dass man automatisch die Stelle bekommt. Spätestens beim Vorstellungsgespräch steht der Bewerber nicht mehr unter Schutz der Anonymität.
Wie funktioniert eine anonyme Bewerbung?
• Personenbezogene Angaben sind bei der ersten Durchsicht der Bewerbungsunterlagen nicht sichtbar
Bei einer anonymisierten Bewerbung wird der Fokus allein auf die Qualifikationen des Bewerbers gelegt. Dabei bekommen die Personalchefs persönliche Daten der Kandidaten wie etwa der Name, das Alter, das Geschlecht, der Familienstand oder ein etwaiger Migrationshintergrund nicht bei der ersten Durchsicht der Bewerbungsunterlagen zu sehen. Nachdem der Personalchef sich alle Bewerbungen angeschaut hat und die Wahl getroffen hat, welche Bewerber er gerne zu einem persönlichen Gespräch einladen würde, erhält er die volle Einsicht in die Unterlagen.
Im Rahmen des Pilotprojekts boten die Unternehmen verschiedene Arten der anonymen Bewerbung an. Unter anderem gab es auf die Firmen zugeschnittene Online-Bewerbungsbögen, standardisierte Bewerbungs-Formulare oder eine unparteiische dritte Person machte die persönlichen Daten der Kandidaten unkenntlich.
Wieso möchte man diese Art von Bewerbungen einführen?
• Um die Diskriminierungsrate im Verlauf des Bewerbungsprozesses zu reduzieren
Auch wenn man es nicht gerne zugibt, ist es ist längst bekannt, dass auf dem Arbeitsmarkt Diskriminierung herrscht. In der Gesellschaft sind vor allem diese Personengruppen betroffen: Menschen mit Migrationshintergrund, Frauen mit Kindern und ältere Kandidaten. Die anonyme Bewerbung soll demnach dazu dienen, dass diese Bewerber die gleichen Chancen haben wie alle anderen auch und nicht in Hinblick auf Namen, Herkunft oder Geschlecht benachteiligt werden.
Was sind die Vorteile?
• Chancengleichheit
Eine Studie der Universität Konstanz hat gezeigt, dass Bewerber, deren Name sich nur ausländisch anhört, viel schlechtere Chancen haben zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Angesicht der Tatsache, dass in Deutschland momentan Fachkräftemangel herrscht, wäre die anonymisierte Bewerbung ein Weg, um junge und talentierte Akademiker mit Migrationshintergrund einzustellen.
Was sind die Nachteile?
• Unnötige Kosten
Es gibt viele Nachteile, die mit dieser Vorgehensweise verbunden sind. Zunächst wären da die unnötigen Kosten, die sowohl für die Arbeitssuchende als auch für Unternehmen entstehen könnten. Man würde für Reisekosten bezahlen und kostbare Zeit in Vorstellungsgespräche investieren, ohne eine greifbar bessere Chance auf eine Stelle bzw. einen geeigneten Arbeitnehmer zu haben.
Des Weiteren stellt es für den Personaler keine große Herausforderung dar, zum Beispiel das Alter des Kandidaten herauszufinden. Dazu schaut er sich die Jahresangabe des Schul- oder Universitätsabschlusses und kann auf diese Weise ein ungefähres Alter schätzen. Wenn also der Personalchef an einer Angabe wirklich interessiert ist, wird er keine Mühe scheuen und gezielt nach diesem Aspekt suchen.
Fazit
Zusammenfassend ist also zu sagen, dass durch anonyme Bewerbungsverfahren nicht unbedingt Chancengleichheit geschaffen wird. Nur wenige Firmen sind für eine derartige Bewerbung offen und in der nahen Zukunft müssen sich die Bewerber somit weiterhin auf traditionelle Art bewerben.
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